Für ein Ende der Gewalt in Israel und Palästina
Wir verurteilen die entsetzlichen Terror-Angriffe der Hamas auf Israel, bei denen über 1.200 Menschen getötet wurden, aufs Schärfste. Die zahlreichen Morde, der massive Raketenbeschuss und die Berichte über Entführungen sind schockierend. Das barbarische Massaker, dem 260 Teilnehmer*innen eines Musikfestivals zum Opfer fielen, ist ein Akt der Grausamkeit. In einem Kibbuz sind mehr als 100 Todesopfer geborgen worden. Immer noch werden weitere Leichen gefunden. Wir sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen, und hoffen inständig, dass die Entführten bald wieder in Freiheit sind.
Die religiös-fundamentalistische Hamas behauptet über sich, für die Befreiung der Palästinenser:innen von Unterdrückung zu kämpfen. Letztlich zielen ihre Aktionen aber nur darauf ab, ihren eigenen Anspruch auf Vertretung der Interessen der Palästinenser:innen gegenüber Israel zu untermauern, und führen in den sich alle paar Jahre wieder aufflammenden Gewalteskalationen zu furchtbaren Opfern auf beiden Seiten. Das brutale Vorgehen auch gegenüber israelischen Zivilist:innen wird dabei durch die Verbreitung antisemitischer Propaganda ideologisch begründet, wobei oftmals Bezug auf Versatzstücke des historischen europäischen Antisemitismus genommen wird. Wahlen finden im Gaza-Streifen seit 2006 nicht mehr statt und die regierende Hamas unterdrückt jedwede Opposition gegen ihre Herrschaft dort mit brutaler Gewalt. Somit ist die Hamas Teil des Problems im seit Jahrzehnten schwelenden Nahost-Konflikt.
Mit ihren Angriffen auf Israel hat die Hamas auch die palästinensische Bevölkerung in große Gefahr gebracht. Uns besorgt, dass die Antwort der aktuellen ultrarechten Regierung unter Netanyahu erneut zahlreiche Zivilist*innen töten wird und bereits getötet hat. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sprach jüngst davon, dass „Hunderte Tonnen von Bomben“ auf Gaza abgeworfen worden seien, wobei „die Betonung […] auf Zerstörung und nicht auf Genauigkeit“[1] liege. Auch solche Aussagen belegen eine bisher beispiellose Brutalisierung der Auseinandersetzung. Den Menschen im Norden des Gaza-Streifens wurde eine sehr kurze Frist gesetzt, um das Gebiet zu verlassen – ohne, dass sie die Möglichkeit hätten, irgendwo anders unterzukommen. Gleichzeitig wurde die Versorgung des Gaza-Streifens mit Medikamenten, Wasser, Nahrung und Treibstoff tagelang blockiert, was einen klaren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellt. Durchfallerkrankungen unter Kindern sind bereits weit verbreitet, Krankenhäusern fehlt es an Benzin, um Strom zu erzeugen und die UN warnen vor einer humanitären Katastrophe im Gaza-Streifen. Mit der geplanten Bodenoffensive droht eine massive Welle militärischer Gewalt und Angriffe, unter denen in erster Linie die Zivilbevölkerung leidet. Dass sich diese Spirale der Gewalt immer weiterdreht, liegt auch im Interesse der Hamas, da sie daraus ihre Legitimität als Verteidiger ableitet.
Die Herrschaft der Hamas und die zunehmende Unterstützung, die diese in den letzten Jahren in Teilen der palästinensischen Bevölkerung genießt, kommen nicht aus heiterem Himmel. Sie resultieren aus den menschenunwürdigen Lebensbedingungen, die die israelische Besatzungspolitik seit Jahrzehnten – und in den letzten Jahren zunehmend – in den palästinensischen Gebieten verursacht hat. 2017 bezeichnete die UN den Gaza-Streifen aufgrund von Mangel an Trinkwasser, Jugendarbeitslosigkeit und Mängeln im Gesundheitssystem als unbewohnbar.[2] Eine seit 2007 bestehende weitgehende Blockade des Gaza-Streifens durch Ägypten und Israel führt zu einer dauerhaften Mangelversorgung großer Teile der Bevölkerung. Siedlungsbau und Entrechtung im Westjordanland, mangelhafte Versorgung und unzureichende Infrastruktur, sowie fehlende Perspektiven, häufig ungeahndete Schikane und zunehmende Gewalt durch Sicherheitsbehörden tragen dazu bei, dass die Hamas sich als Befreier inszenieren kann – während sich ihre Akteure am Elend der palästinensischen Bevölkerung bereichern. Die israelische Besatzungspolitik und die damit einhergehenden Diskriminierungen wurden von der UN immer wieder deutlich kritisiert. Doch auch weiterhin fördert die ultrarechte Regierung von Benjamin Netanyahu diese Entwicklung. Sie fördert den Bau von Siedlungen und hat eine vollständige Annexion des Westjordanlandes in Aussicht gestellt.
Das ist ein Nährboden für weiteren Terror. Solange Israelis und Palästinenser*innen nicht in Freiheit und Würde zusammenleben können, wird der Frieden und die Sicherheit aller Menschen in der Region immer bedroht sein.
Unterdessen sorgt die aktuelle Eskalation für weltweite Erschütterungen. Rechte Demagogen nutzen die Bluttat der Hamas, um Stimmung gegen Migrant:innen zu machen. Die oft antimuslimische Rhetorik erzeugt weitere Gewalt: in Chicago erstach ein Mann einen sechsjährigen palästinensischen Jungen mit den Worten: „Ihr Muslime müsst sterben!“[3] und bezog sich konkret auf die Taten der Hamas. An vielen Orten Deutschlands werden zum Gedenken an die Opfer aufgehängte Israel-Fahnen entwendet und zerstört und jüdische Wohnhäuser werden mit Davidsternen markiert. Kürzlich wurden in Berlin-Mitte gar Molotow-Cocktails in Richtung eines jüdischen Gemeindezentrums geworfen. Dieser fortschreitenden Eskalation muss Einhalt geboten werden. Besonders abstoßend finden wir in diesem Zusammenhang Bestrebungen, Antisemitismus als ausschließlich in muslimischen Kreisen vorhandenes Problem darzustellen – dies ausgerechnet im Land des mörderischen Hitler-Faschismus! Eine Vielzahl von Studien belegt, dass Antisemitismus in der Gesamtgesellschaft verbreitet ist – besonders unter Anhänger*innen der momentan erstarkenden AfD. Unsere Parole kann nur lauten: Gegen Rassismus und Antisemitismus – egal von wem.
DIE LINKE steht für das Existenzrecht Israels und eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt, ein souveränes, sicheres Israel an der Seite eines souveränen, sicheren Palästina, einschließlich der Möglichkeit einvernehmlichen Gebietsaustauschs auf Grundlage der UN-Resolutionen.
Wir stehen solidarisch an der Seite all jener demokratischen Kräfte, die sich für eine friedliche Lösung einsetzen, die nicht zulassen wollen, dass Hass die Oberhand gewinnt, und die an eine Zukunft glauben, in der alle Menschen in der Region in Frieden, Würde und Sicherheit zusammenleben.
Eine Kürzung von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe für die palästinensischen Gebiete lehnen wir ab. Diese Mittel dienen in erster Linie dazu, die nötigste Infrastruktur und das notwendigste zum Leben sicherzustellen. Die Vergabe wird geprüft und erfolgt projektbezogen. Eine Streichung würde vor allem die Zivilbevölkerung treffen und nicht die Hamas schwächen.
Es darf nicht zugelassen werden, dass die Angriffe der Hamas auf Israel für innenpolitische Zwecke hierzulande missbraucht werden. Als DIE LINKE setzen wir uns immer und grundsätzlich gegen Doppelbestrafungen mit dem Mittel des Aufenthaltsrechts ein. Strafbares Verhalten muss mit den Mitteln des Strafrechts aufgeklärt und geahndet werden, egal, welche Staatsbürgerschaft eine Person hat.
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich in der aktuellen Situation für Deeskalation einsetzt und den Weg zu einer friedlichen Lösung aktiv begleitet.
Ihre guten Geschäftsbeziehungen zum Hamas-Unterstützerstaat Katar muss die Bundesregierung nutzen, um auf ein sofortiges Ende der Terroraktionen gegen die israelische Bevölkerung und eine bedingungslose Freilassung aller Geiseln hinzuwirken.
Sie muss auf die israelische Regierung einwirken, dass diese die Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen mit Lebensmitteln, Wasser, Energie und Medikamenten entsprechend der Verpflichtung im humanitären Völkerrecht nicht weiter verhindert oder einschränkt und auf der Stelle von einer militärischen Vorgehensweise abrückt, die undifferenziert militärische wie zivile Ziele trifft. Israel hat das unumschränkte Recht, seine Bevölkerung zu schützen. Ein Blankoscheck seitens Deutschland für alle denkbaren Maßnahmen, die Israel nun ergreift und noch ergreifen könnte, ist jedoch inakzeptabel.
Jetzt ist nicht die Zeit für weitere Eskalation. Es muss mit allen Mitteln auf einen Waffenstillstand und die Vermeidung weiterer Opfer hin gearbeitet werden.
Menschenrechtsgruppen und Friedensorganisationen in der Region brauchen entschiedene Unterstützung, um gegen gewaltbereite und autoritäre Kräfte bestehen zu können. Sie sind als Verbündete im Kampf gegen weiteren Hass und weitere Gewalt zu sehen.
[1] https://www.dw.com/de/israel-hamas-gaza-welche-regeln-setzt-das-v%C3%B6lkerrecht/a-67134387?fbclid=IwAR0_TBjj9-gB_5SkJeynjUdq5DJ09BmwssWuP81DD6F-R_9Ff60_vjjQR-I
[2] https://www.spiegel.de/politik/ausland/gaza-streifen-uno-bezeichnet-kuestenabschnitt-als-unbewohnbar-a-1157263.html
[3] https://www.fr.de/politik/joe-biden-schockiert-messerangriff-palaestinenser-junge-erstochen-getoetet-chicago-zr-92580986.html