Familienunternehmer nähern sich der AfD an: Linke fordert Austritte im Münsterland
Der Verband „Die Familienunternehmer“ hat Anfang Oktober Vertreter*innen der AfD zu seinem Parlamentarischen Abend eingeladen und damit die bisherige wirtschaftliche Brandmauer offen eingerissen. Auch wenn der Verband später stark zurückruderte, bleibt der politische Kern unverändert: Der Einfluss eines kapitalkräftigen Lobbyverbandes verschiebt die gesellschaftliche Grenze nach rechts und normalisiert eine Partei, die in Teilen gesichert rechtsextrem ist. Für die Linke in Münster ist klar, dass diese Einladung kein isoliertes Vorgehen ist, gar eine Panne ist, sondern Ausdruck tiefer liegender politischer und wirtschaftlicher Dynamiken.
Marie Syska, wirtschafts- und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke Münster: „Mit dem Vorstoß von Verbandspräsidentin Ostermann lässt der Verband der Familienunternehmer seinen demokratischen Schleier fallen. Das Vorgehen des Verbandes lässt sich vielleicht am besten mit folgendem Bild beschreiben: Es brennt, ein Versicherungsunternehmen schlägt die Brandschutztür ein und erklärt anschließend, die Sicherheitsvorkehrungen wären nicht ausreichend gewesen. Durch die Einladung zum Parlamentarischen Abend sowie den Beschluss zum strategischen Austausch bekennt sich der Verband nun offen dazu, dass er, um die libertären Eigeninteressen seiner Mitglieder durchzusetzen, auch mit der AfD zusammenarbeitet. Alle Unternehmerinnen stehen jetzt vor der Entscheidung, ob sie zur Normalisierung antidemokratischer Parteien beitragen wollen oder sich durch einen Austritt aus dem Verband „Die Familienunternehmer“, zu einer demokratischen und verantwortungsvollen Wirtschaft bekennen.
Konkret erwarten wir, dass sich Unternehmen im Münsterland, die sich demokratischen Grundwerten verpflichtet sehen, eindeutig positionieren: Die Westfalen AG mit Sitz in Münster und die Fiege Logistik Holding Stiftung & Co. KG mit Sitz in Greven fordern wir dazu auf, ihre Mitgliedschaften beziehungsweise Präsidiumsrollen im Verband der Familienunternehmer niederzulegen. Ebenso fordern wir Marcus Gillsch (MTG Handels- und Consulting GmbH) und Manfred Gutsche (Overmann Immobilien GmbH und Co. KG) dazu auf, ihre Vorstandstätigkeit im Regionalkreis Münsterland/ Osnabrück der Familienunternehmer aufzugeben. Wir begrüßen die öffentliche Distanzierung der Wirtschaftsinitiative Münster (WIN) von dem Vorgehen der Familienunternehmer und fordern sie dazu auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen und Mitgliedern des Verbands der Familienunternehmer zukünftig kein Podium mehr zu bieten.“
Yannick Lux, Mitglied des Kreisvorstands der Linken Münster, ergänzt:
„Die Forderungen nach Distanzierung Münsteraner Unternehmen vom Verband der Familienunternehmer ist für die Linke Münster das absolute Minimum. Wir müssen klar benennen, dass diese Öffnungsstrategie aus einflussreichen Teilen der Wirtschaft in Richtung AfD einem eindeutigen Muster folgt: Erst wird getestet, wie weit man gehen
kann, dann rudert man bei öffentlicher Kritik zurück, während in der Wahrnehmung hängen bleibt, dass die AfD inzwischen in wirtschaftlichen Kreisen als normaler Gesprächspartner behandelt wird. Das ist kein zufälliger Ausrutscher, sondern Ausdruck einer neoliberalen Logik, die politische Stabilität nicht an demokratischen Werten, sondern an den eigenen Kapitalinteressen misst.
Demnach markiert die Einladung der AfD durch die Familienunternehmer nicht nur einen politischen Tabubruch, sondern folgt einem klassischen Muster aus der Geschichte: Wann immer autoritäre Kräfte erstarken, passen große Unternehmen mit erheblicher Kapitalmacht ihre Kontakte an, um selbst unter neuen politischen Bedingungen Privilegien, Einfluss und Besitzstände zu sichern. Diese Dynamik zeigte sich zuletzt in den USA mit der erneuten Wahl Donald Trumps. Demnach ist dieses Verhalten weder neu noch überraschend. Es ist Ausdruck eines Systems, das wirtschaftliche Macht über demokratische Verantwortung stellt.
Solange große Unternehmen innerhalb eines kapitalistischen Wirtschaftssystems in der Lage sind, politischen Druck auszuüben und antidemokratische Kräfte zu normalisieren, bleibt jede Brandmauer brüchig. Die gegenwärtige Entwicklung zeigt, dass wir die strukturelle Macht des Kapitals grundsätzlich zurückdrängen müssen, Unternehmen demokratisieren und unsere Wirtschaft weg von reiner Profitlogik organisieren müssen, wenn wir demokratische und soziale Werte dauerhaft schützen wollen.“
