17. März 2021

Rede zum Haushalt 2021 von Ulrich Thoden (Fraktionssprecher DIE LINKE. Ratsfraktion Münster) Mittwoch, den 17. März 2021

– Es gilt das gesprochene Wort! –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren! Traditionell ist die Haushaltsdebatte die Stunde der Opposition. Die Kommunalwahl 2020 hat uns in Münster eine neue Ratsmehrheit beschert. Die langjährige Hegemonie der CDU ist endlich gebrochen. Und so langsam hat sich die CDU mit ihrer neuen Rolle als Opposition abgefunden. Es ist schon bemerkenswert, wo die Ex-Münster-Partei plötzlich überall vorwiegend sehr teure Handlungsbedarfe ausmacht, wo doch zuvor jahrzehntelang die Gelegenheit zur Tätigkeit bestanden hätte. Aber wie dem auch sei, von unserer Seite herzlich willkommen auf der Oppositionsbank. Wir kennen uns da aus und helfen bei Bedarf auch gern.

Die neue 2-Volt-Koalition hat mit dem Haushalt ihre erste Nagelprobe zu bestehen. Zweifellos in Zeiten klammer Finanzen und coronainduzierter Unsicherheiten kaum vergnügungssteuerpflichtig. Und bei alledem sollen ja die im Wahlkampf gemachten Versprechen zumindest ansatzweise als Duftmarken erkennbar sein. Und das mal vorweg: Sollte das neue Ratsbündnis tatsächlich so progressiv sein wie es der eigene Anspruch verkündet, freuen wir uns natürlich über einen ernsthaften Politikwechsel. Dazu müssen sich jedoch nicht nur die Farben ändern, sondern der gesamte Politikansatz.

Immerhin, es gibt gute Ansätze. So freuen wir uns ausdrücklich über viele zum Teil langjährige Forderungen der LINKEN, die nun endlich umgesetzt werden. Ich verweise hier beispielsweise auf erste Schritte Richtung autofreie Innenstadt. Wir sind ja gern Ideengeber und freuen uns diesbezüglich über jede (wenn auch noch so späte) Einsicht bei anderen politischen Kräften. Schön und ehrlich wäre aber, wenn unsere guten Ideen nicht jahrelang belächelt und konsequent niedergestimmt würden, um dann plötzlich als vermeintlich eigene Idee verkauft zu werden, wie jüngst im Falle der Wohn + Stadtbau geschehen.

Günstiger Wohnraum ist in Münster immer noch Mangelware. Nach einer über Jahre verfehlten Bodenvorratspolitik gepaart mit dem naiven Glauben an den Markt scheint hier ein Licht am Ende des Tunnels aufzuleuchten. Wir begrüßen die Streichung der Gewinnabführung und die Einbringung von städtischen Grundstücken in die Wohn + Stadtbau. Leider fand unser Antrag, darüber hinaus auch flüssige Mittel bereit zu stellen, keine Mehrheit. Schade, denn so behilft man sich mit dem Trick einfach Grundstücke haushaltsneutral innerhalb des Konzerns Stadt zu verschieben, ohne effektiv Geld in die Hand nehmen zu müssen. Das Motto lautet augenscheinlich: „Wasch mir den Pelz, abermach mich nicht nass!“. Das ist besser als nichts. Ein Anfang, wenn man so will. Wirklicher politischer Wille aber sieht anders aus.

Insgesamt trägt der Haushalt eine deutlich grüne Handschrift. Wichtige richtige Schritte in Richtung Verkehrswende werden getan. Das muss man anerkennen. Wenn die autofreie Innenstadt wirklich kommt, wäre das nicht nur Meilenstein in Richtung Klimaneutralität 2030, sondern hätte auch erhebliche positive Effekte auf die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. Aber das neue Bündnis macht den zweiten Schritt vor dem ersten. Es reicht nicht, einfach mehr Fahrradstraßen und Tempo-30-Zonen auszuweisen und Verkehrsprojekte von Anno Tobak (etwa den Kolde-Ring) zu beerdigen. Der motorisierte Individualverkehr soll und muss reduziert werden. Aber dafür muss zuerst der ÖPNV massiv ausgebaut und attraktiviert werden. Dazu gehört neben schnellerer Taktung und Busvorrangspuren vor allem ein (möglichst) kostenfreier ÖPNV. Nicht umsonst war der kostenlose ÖPNV eine Kernforderung der Linken im Wahlkampf. Sonst geht die Verkehrswende auf Kosten der Menschen mit geringem Einkommen, Menschen, die ohnehin oft am Rand der Stadt leben und umso mehr auf eine gute Bus- und Bahnanbindung angewiesen sind. Unser Antrag zur Beendigung der Gewinnabführung der Stadtwerke in Höhe von 6,5 Mio. Euro jährlich sowie für eine Finanzspritze zur Umrüstung der Fahrzeugflotte wurde leider wieder einmal abgelehnt. Leider ist hier kein politischer Wille des neuen Ratsbündnisses erkennbar, sobald Geld in die Hand genommen werden muss.

Dabei ist an anderer Stelle offenbar genug Geld vorhanden! Bei den Corona-Hilfen für den FMO, immerhin 3,5 Mio. Euro, wurde das Füllhorn bereitwillig aufgemacht. Auch beim Musik-Campus zeigt man sich großzügig. Für günstige Tickets ist aber offenbar kein Geld da.

Apropos FMO: Eine Rettung des FMO ohne soziale oder ökologische Bedingungen ist Wahnsinn. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass eine Studie angefertigt werden soll, in der eine Abwicklung des FMO nur eine unter vielen Optionen ist. Pure Augenwischerei, sagen wir. Es steht fest, dass der Flughafen langfristig hochdefizitär bleiben wird. Außerdem ist der FMO als Regionalflughafen mit einem hohen Anteil an Inlandsflügen ein echter Klimakiller. Trotzdem hält die Koalition unter dem Druck der Wirtschaft offensichtlich weiter am Flughafen FMO fest. Wer soll denn der Koalition den politischen Willen glauben, den FMO abzuwickeln, wenn gleichzeitig Corona-Hilfen gezahlt werden? Man will wohl gleichzeitig FFF und die Wirtschaft zufrieden stellen. Wieder ein Fall für: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“.

Das Preußenstadion hätten wir uns als Stadion für die Fans, nicht für Sponsoren, gewünscht. VIP- Logen statt Fankneipe halten wir für den falschen Akzent. Kuschelkurs mit der lokalen Wirtschaft, statt Eingehen auf die Bedürfnisse der normalen Menschen. Dieses Schema findet sich auch beim leidigen Thema E-Center, alias Hafencenter, alias Hafenmarkt wieder. Gern steuern wir auch einen neuen Namen bei: „Hafenmurks“. Denn genau betrachtet hat sich nichts Grundlegendes geändert. Auch wenn sich die SPD standhaft weigert, die verkehrlichen Probleme und damit die Realität im Hansaviertel anzuerkennen. Die berechtigten Wünsche der Anwohner*innen werden geflissentlich übergegangen, stehen sie doch im Widerspruch zu Investoreninteressen. Insgesamt eine erhebliche Schieflage. Und wieder einmal zeigt sich die Zauberformel „Wasch mir den Pelz, aber mach nicht nass!“.

Der Haushalt ist finanziell sehr auf Kante genäht. Trotzdem folgt er aber weitestgehend dem Motto „Wünsch-dir-was“: Ein Südbad für die Grünen, im Westen ein Spaßbad für die SPD. Garniert mit einwenig Musikcampus und einem Preußenstadion. Alles den Wünschen der jeweils eigenen Klientel entsprechend. Aber über allem schwebt dabei immer das Damoklesschwert der Haushaltsicherung.

Eine erkennbare soziale Wende bleibt aus. Im Koalitionsvertrag wie im Haushalt finden sich viel zu wenig konkrete Vorschläge, wie die eklatante soziale Ungleichheit in Münster angegangen werden soll. Kinderarmut und Altersarmut (besonders in prekären Stadtvierteln) werden nicht konsequent und mit einem echten Konzept in den Blick genommen. Auch hier hätte unser Haushaltsantrag ein wichtiges Signal gesetzt. Wir hätten die Prioritäten an vielen Stellen anders und konsequenter gesetzt, insgesamt geht der Haushalt in Teilen aber immerhin in die richtige Richtung. Deshalb werden wir uns folgerichtig